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Tomaten aus Europa: Die Schattenseiten beim Anbau des beliebten Nachtschattengewächses

– Was das Plastikmeer von Almeria mit Ressourcenverbrauch, Arbeitsbedingungen und unserem Alltag zu tun hat.

Tomaten sind aus der modernen Küche nicht mehr wegzudenken – ob frisch im Salat, auf der Pizza oder als würzige Tomatensauce. Rund 27 Kilogramm Tomaten verzehrt jede Person in Deutschland im Durchschnitt pro Jahr. Doch woher stammt diese beliebte Frucht, und warum kommen die meisten Tomaten im Winter aus Spanien?

Die Tomate – eine Weltenbummlerin

Die Tomate (Solanum lycopersicum)stammt ursprünglich aus den tropischen Regionen Süd- und Mittelamerikas. Dort trug sie den Namen „Tomatl“ und wurde schon von den Azteken kultiviert.
Im 16. Jahrhundert gelangte die Pflanze durch spanische Eroberer nach Europa, stieß dort jedoch zunächst auf Skepsis. Aufgrund ihrer roten Farbe wurde sie lange Zeit nur als Zierfrucht betrachtet und „Liebesapfel“ oder „Paradiesapfel“ genannt. Erst seit dem 20. Jahrhundert gewann sie an Beliebtheit und ist nun aus unserem Gemüse-Alltag kaum wegzudenken.

Heute gibt es weltweit über 10.000 Tomatensorten in den unterschiedlichsten Farben, Formen und Größen. Von winzigen Kirschtomaten über aromatische Fleischtomaten bis hin zu gelben, grünen oder fast schwarzen Varianten. Neben ihrem Geschmack überzeugt die Tomate auch durch ihren Nährstoffreichtum. Sie enthält viele Nährstoffe, wie Vitamin C, Beta-Carotin, Vitamin K sowie Kalium, Eisen und Kupfer.

Wie werden Tomaten angebaut?

Tomaten benötigen viel Sonnenschein und gedeihen am besten bei Temperaturen zwischen 18 und 22 °C. Sie brauchen reichlich Wasser, reagieren jedoch empfindlich auf anhaltende Nässe. Zu hohe Luftfeuchtigkeit oder anhaltender Regen begünstigen Pilzkrankheiten wie die „Braunfäule“. Befallene Früchte dürfen auch keinesfalls auf den Kompost, da der Pilz auch in der Erde überlebt.

In warmen, sonnenreichen Regionen wachsen Tomaten problemlos im Freiland. In Ländern mit gemäßigtem Klima, wie Deutschland, ist dies jedoch nur eingeschränkt möglich. Hier schützt man die Pflanzen im Freiland häufig mit Folientunneln vor Witterungseinflüssen oder verlagert den Anbau ganz ins Gewächshaus. Es gibt allerdings spezielle, robuste Sorten für das Freiland (sog. „Freilandtomaten“), die auch hierzulande im freistehenden Beet gut zurechtkommen.

Tomatenversorgung in Deutschland

Der gewerbliche Tomatenanbau in Deutschland erfolgt fast ausschließlich in Gewächshäusern oder unter Folienabdeckungen. Im Gewächshaus lassen sich Temperatur und Licht gezielt steuern, häufig mithilfe von Heizungen und Zusatzbeleuchtung.

Diese Technik ermöglicht zwar eine Ernte auch in der kalten Jahreszeit, allerdings mit erheblichem Energieaufwand. Für die Beheizung werden meist Gas oder Heizöl verwendet. Dadurch ist der CO2-Fußabdruck von Gewächshaustomaten fast 10 Mal höher als bei der von Tomaten aus dem Freiland!

Die eigentliche Saison für heimische Tomaten liegt zwischen Juni und Oktober. Trotz moderner Anbautechnik kann Deutschland nur einen kleinen Teil seines Bedarfs selbst decken. Im Wirtschaftsjahr 2023/24 stammten nur rund 3,8 % der hier verzehrten Tomaten aus deutscher Produktion.

Woher kommen unsere Tomaten im Winter?

Da die für den Tomatenanbau notwendigen Temperaturen im Winter in Deutschland ohne Beheizung nicht erreicht werden, werden große Mengen an Tomaten aus Ländern mit günstigerem Klima importiert. Die wichtigsten Lieferländer sind Spanien, die Niederlande und Marokko.

Im den Wintermonaten stammen die meisten Tomaten in deutschen Supermärkten aus Südspanien, vor allem aus der Region Almería in Andalusien. Dort befindet sich mit rund 30.000 Hektar das größte Tomatenanbaugebiet Europas. Die Fläche ist von weißen Plastikgewächshäusern bedeckt, die sogar aus dem Weltraum sichtbar sind.

Foto: Tomatenanbau in Spanien / Quelle: Tagesschau “Ausbeutung im Gemüsegarten Europas”

Die Region bietet auf den ersten Blick ideale Bedingungen:

  • sehr viele Sonnenstunden im Jahr
  • vergleichsweise niedrige Arbeitskosten
  • staatliche Subventionen
  • technisches Know-how

Mehr als 70 % der dort produzierten Tomaten werden in andere europäische Länder exportiert, ein Großteil davon nach Deutschland.

Die Schattenseiten des Anbaus in Spanien

  1. Wasserknappheit und Umweltprobleme

Die Region Almería gehört zu den trockensten Gebieten Europas. Trotzdem werden dort wasserintensive Kulturen wie Tomaten, Gurken und Paprika angebaut.

Für ein Kilogramm Tomaten werden durchschnittlich 180 Liter Wasser benötigt. Dieses Wasser stammt größtenteils aus Grundwasservorräten, die vielerorts übernutzt oder sogar illegal angezapft werden.

In vielen Regionen liegt der Wasserverbrauch dreimal höher als die natürliche Wiederauffüllung des Grundwassers.

Die Folgen sind gravierend:

  • sinkende Grundwasserspiegel
  • illegal gebohrte Tiefbrunnen
  • Versalzung der Süßwasserreserven, weil Meerwasser in die Grundwasserschichten eindringt

Um den Wassermangel auszugleichen, greifen viele Betriebe inzwischen auf Meerwasserentsalzung zurück. Dieses Verfahren ist sehr energieintensiv ist und verursacht weitere ökologische Belastungen.

  • Soziale Missstände

Neben ökologischen Problemen stehen auch soziale Fragen im Mittelpunkt.
Viele der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Gewächshäusern leben unter prekären Bedingungen.

Berichte der ARD und des BR dokumentieren:

  • illegale Beschäftigung
  • untertarifliche Löhne
  • oft fehlende Arbeitsverträge
  • provisorische Unterkünfte in Zeltstädten oder Slums ohne Wasser und Strom
  • Einsatz von giftigen Spritz­mitteln ohne Schutzkleidung

Während die Tomatenpreise in deutschen Supermärkten immer weiter sinken, geschieht dies oft auf Kosten der Menschen, die sie ernten.

Und wie steht es um Bio-Tomaten?

Auch bei Bio-Tomaten sind die Unterschiede kleiner, als viele vermuten. Zwar werden hier keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt, doch Wasserknappheit und Arbeitsbedingungen bleiben häufig ähnlich problematisch. In Deutschland versuchen Bio-Betriebe, den Energieverbrauch zu reduzieren, indem sie ihre Gewächshäuser nur so stark beheizen, dass Frost vermieden wird. Dadurch verschiebt sich die Pflanzzeit nach hinten und die Heizkosten sinken. Allerdings sind dabei die Erträge geringer, wodurch der Bedarf an Anbauflächen steigt.

Fazit: Tomaten mit Verantwortung genießen und Vielfalt erhalten!

Tomaten sind lecker, vielseitig und gesund, doch ihr Anbau ist vor allem im Winter mit vielen ökologischen und sozialen Herausforderungen verbunden. Wer im Winter frische Tomaten kauft, sollte daher wissen, unter welchen Bedingungen sie entstehen.

Ein bewusster Konsum kann viel bewirken: saisonale und regionale Produkte zu bevorzugen, auf lagerfähiges Wintergemüse aus der Region zurückzugreifen oder im Sommer selbst hergestellte Vorräte  zu nutzen, reduziert den ökologischen Fußabdruck spürbar.

Und für den besten Geschmack braucht es keinen Garten! Schon ein sonniger Balkon reicht, um eigene Tomaten zu ernten. Was gibt es besseres, als eine frisch vom Strauch gepflückte, von der Sonne gewärmte Tomate?


Wie schön nachhaltiger Tomatenkonsum auch hierzulande gelebt werden kann, zeigte Hartmut Buchwald mit seinem Projekt der „Tomatenparade“. Seit 2011 begeisterte er Menschen aller Altersgruppen, von Kitas über Schulen bis hin zu Senioreneinrichtungen und unserer Naturschutzstation, für die Vielfalt der Tomate.
Mit dem Verteilen von Tomatenpflanzen und seiner Liebe zur Natur brachte er vielen Menschen das Thema Nachhaltigkeit und Artenvielfalt näher.

Nach seinem Tod im Jahr 2025 wird sein Projekt weitergeführt:
Im Gedenken an seine Arbeit werden nun Patinnen und Paten für rund 110 Tomatensorten gesucht, damit seine Idee und die Leidenschaft für die Tomatenvielfalt weiterleben.


Weiterführende Artikel:


Methode zum Nachreifen von Tomaten


So machst du Tomaten haltbar – Sommer im Glas
Tomaten haltbar machen: 9 Methoden, die du kennen solltest | LECKER

Du kannst im Sommer ganz einfach vorsorgen und Tomaten für den Winter haltbar machen. So hast du auch in der kalten Jahreszeit sonnengereiftes Aroma auf dem Teller – ohne schlechtes Gewissen.

Möglichkeiten zur Haltbarmachung

1. Einkochen (passierte oder eingeweckte Tomaten)
Tomaten häuten, pürieren, etwa 30 Minuten kochen und heiß in Gläser füllen.
Mit Knoblauch, Zwiebeln und Kräutern verfeinert entsteht eine perfekte Sauce für Pizza oder Pasta.

2. Einlegen
Tomaten in Öl, Essig, Knoblauch und Gewürzen einlegen → ergibt aromatische Antipasti.

3. Einfrieren
Ganze oder pürierte Tomaten einfrieren → ideal für Saucen und Suppen nach dem Auftauen.

4. Trocknen
Im Ofen oder Dörrautomaten getrocknet entfalten Tomaten ein intensives Aroma.

5. Chutney oder pikante Tomatenmarmelade
Mit Gelierzucker, Chili und Knoblauch entsteht eine würzig-süße Delikatesse, die perfekt zu Käse oder Gegrilltem passt. (→ Anleitung Cordula verlinken Chutney mit grünen Tomaten oder: wie man die unreifen Beerenfrüchte jetzt noch „retten“ kann – Naturschutzstation Hahneberg)


Quellen:

Bücher/Broschüren

Internet



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