Aktuelles

Wer wandert denn da? – Amphibien auf Wanderschaft!

Autorin: Cordula Herwig 

Immerhin 13 (von deutschlandweit 21) Amphibienarten kommen in Berlin vor.  Darunter folgende Arten: Kröten: Erd-, Kreuz- und Wechselkröte, Krötenfrösche: Knoblauchkröte, Molche: Teich-, Kamm- und Bergmolch, Braunfrösche: Moor- und Grasfrosch, Grünfrösche: Teich- und Seefrosch, sowie Kleiner Wasserfrosch, sowie Unken: Rotbauchunke – vgl. hierzu auch:

https://berlin.nabu.de/tiere-und-pflanze…

Schnappschuss der besonderen Art: Ein gerettetes Erdkrötenpäärchen auf dem Weg zum Laichgewässer an der Havelchaussee hat im Fangeimer anscheinend die Bekanntschaft eines Molches gemacht, der sich hiermit ein praktisches Transportmittel zum Teich ausgesucht hat…) –  (Foto: Stefanie Schatte)

Was diese, durchaus verschiedenen Tiere gemeinsam haben, ist vor allem eine Verhaltensweise: im Frühjahr (und auch im Herbst) begeben sie sich auf Achse !

Im Frühling geht es auf Wanderschaft zu den Laichgründen, an denen sie ihre Eier ablegen.

Bahn frei für Kröte, Molch und Frosch!

Unter diesem Motto fand am Sonntag, den 10.März 2024 eine Mitmachaktion im Sinne des praktischen Naturschutzes für Familien und andere Interessierte am Amphibienzaun an der Havelchaussee statt.

Organisiert und geplant wurde die Veranstaltung von den beiden kooperierenden Naturschutzeinrichtungen „Naturschutzstation Hahneberg“ in Berlin – Spandau und dem „Naturschutzzentrum Ökowerk“ in Berlin – Charlottenburg an der bezirksübergreifenden Havelchaussee. Das Naturschutzzentrum Ökowerk betreut und begleitet diesen Zaun bereits seit dem Jahr 2001 organisatorisch und wissenschaftlich in Kooperation mit dem Bezirksamt Steglitz – Zehlendorf.

Auslöser für den Aufbau des „Zauns“ war damals primär die wachsende Sorge über Funde zahlreicher überfahrener, schützenswerter Tiere (meist Erdkröten). Dies wurde besonders im Winter und Frühjahr beim Übergang zu ihren Laichgewässern auf der anderen Straßenseite beobachtet.

Mittlerweile setzen den Tieren – neben dem Straßenverkehr – allerdings zunehmend noch weitere Faktoren zu: Angefangen vom Klimawandel (Austrocknung angestammter Feuchtlebensräume, sowie zu kurze und warme Winter – wodurch bei den Tieren die Winterstarre als wichtige Erholungsphase deutlich verkürzt wird), über Flächenversiegelung und Gifte aus Landwirtschaft und Industrie, bis hin zum Überhandnehmen von Prädatoren wie z.B. Waschbären oder Wildschweine.  

Da Amphibien nicht nur ausgesprochen interessante Tiere sind, sondern auch eine wichtige Rolle im Sinne eines intakten Ökosystems spielen, wird es inzwischen immer wichtiger, sich für den Schutz – mithin für den Erhalt ! – der relativ verborgen lebenden – Tiere einzusetzen. 

Zum genaueren Nachlesen hier ein link zum neuesten Bericht des Naturschutzzentrum Ökowerk über die Entwicklung der Populationen am Amphibienzaun in den vergangenen Jahren:  

Praktischer Amphibienschutz an der Havelchaussee 2023

Kleine und große Helfer*innen am Zaun 

Zurück zur Mitmachaktion: Hier erhielten die Teilnehmer*innen zunächst einen kurzen allgemeinen Einblick in die Tiergruppe der Amphibien: es handelt sich hierbei um Wirbeltiere, die sich sowohl im Wasser als auch an Land aufhalten können (gr. amphibios = doppellebig).  

Besonders wichtig hierbei: Amphibien (Lurche) pflanzen sich grundsätzlich in oder an Gewässern fort !  

Außerdem erfuhren die Kinder und Erwachsenen Näheres über die häufigsten Vertreter ihrer Art am Zaun an der Havelchaussee, nämlich Erdkröten (Bufo bufo) und Teichmolche (Lissotriton vulgaris, früher: Triturus vulgaris)

Der bis vor wenigen Jahren an der Havelchaussee auch noch relativ zahlreich vertretene Grasfrosch (Rana temporaria), dessen Bestände sich deutschlandweit innerhalb weniger Jahre dramatisch verringert haben, wird schon seit einigen Jahren überhaupt nicht mehr an dieser Stelle gefunden.  

Auch der dort zuweilen vorkommende Moorfrosch (Rana arvalis) wurde hier nicht mehr gesichtet in letzter Zeit. Es sieht also schlecht aus für diese beiden Vertreter der sogenannten Braunfrösche in Berlin – wie auch darüber hinaus.

Lediglich und ebenfalls stark im Bestand gefährdete Grünfrösche: Kleiner Wasserfrosch (Pelophylax lessonae), Teichfrosch (Pelophylax esculentus) und Seefrosch (Pelophylax ridibundus) werden noch vereinzelt in den Eimern gefunden.  

Grünfrosch im Laub (Foto: Stefanie Schatte) 

Soweit in Kürze einige Basisinformationen, die auch unseren aufmerksamen Zuhörer*innen vor Ort zuteil wurden.  

In einem nächsten Schritt gab es für die teilnehmenden Kinder und Erwachsenen eine kurze Einführung „am Modell“ (Kröte, Molch), um zu zeigen, wie die jeweiligen Tiere am schonendsten aus den Fallen in die Eimer gehoben – und am anderen Ende wieder ausgesetzt werden.  

Der sogenannte Amphibienzaun, der nach der Einführung mit den Teilnehmer*innen angesteuert wurde, besteht an der Havelchaussee aus einer langen festen Plane, die von Stangen und Stöcken gehalten wird und sich hier über einen knappen Dreiviertelkilometer am Rande der viel befahrenen Straße zwischen Grunewald und Havel entlang schlängelt. 

(Fotos: Cordula Herwig)  

Dahinter befinden sich in regelmäßigen Abständen insgesamt 40 Eimer und Kästen (also eine Art Fallen), die dort jedes Jahr entlang der Zaunstrecke von Helfer* innen in die Erde eingegraben werden, um die Tiere, die fleißig am Zaun hin und her wandern auf der Suche nach einem Durchschlupf, abzufangen.  

Am Zaun angekommen, wurden nun die unterwegs benötigten Utensilien an die kleinen und großen Helfer*innen verteilt: Eimer (zum Umsetzen und über die Straße tragen der Tiere), Warnwesten und ggf. Einmalhandschuhe (alternativ dazu wiederholtes Händewaschen unterwegs mit klarem Wasser – um die empfindliche Amphibienhaut nicht zu verletzen durch unser eigenes Milieu, das von den Amphibien nicht gut vertragen wird), Zählliste, Klemmbrett und Stift zum Erfassen von Art, Geschlecht und Anzahl der gefundenen Tiere.  

Jede Familie bzw. jede Kleingruppe erhielt außerdem jeweils die Nummern einiger Fallen, die es nun für sie  zu kontrollieren galt, um sich bestmöglich entlang des Zauns zu verteilen.   

(Fotos: Yvonne Ortmann) 

Aufgrund der niedrigen Nachttemperaturen (nicht mehr als 3 Grad) und der Tatsache, dass die wechselwarmen Amphibien (dies gilt insbesondere für die Kröten) erst bei ca. 5 Grad wandern können, war an diesem Tag eine gewisse Skepsis geboten, ob wir überhaupt Tiere in den Fallen finden würden. Diese Überlegung erwies sich als durchaus berechtigt:  Neben Spinnen, Käfern, Hundertfüßern und Regenwürmern (lauter kleine Leckerbissen für Amphibien) fand sich gerade einmal ein einsames Molchweibchen im Kasten Nr. 42 !  

Das tat der Begeisterung der Kinder – und auch der Erwachsenen – an der Rettungsaktion aber keinen Abbruch: Das kleine Tier wurde dann in einem feierlichen Akt gemeinsam mit der großen Kindertraube – nebst begleitenden Erwachsenen -vorsichtig die Treppe hinunter Richtung Teich getragen und an einer sicheren Stelle dort ausgesetzt.  

(Foto: Cordula Herwig) 

Uns Helfer*innen blieb noch, der kleinen Molchdame viel Glück zu wünschen: Wir hoffen, dass sie dort am Teich einen passenden Partner für die Befruchtung ihrer – liebevoll einzeln an Blätter von Wasserpflanzen gehefteten – Eier (ca. 200 – 300 Eier legt ein Teichmolchweibchen während dieser Zeit) gefunden hat…  

Übrigens: Im Gegensatz zu Erdkröten, die man meist anhand von Größe und Form spontan recht gut unterscheiden kann, fällt dies bei Teichmolchen an Land wesentlich schwerer. Da hilft nur eine kleine Untersuchung der sogenannten „Kloake“ auf der Unterseite des Tieres, die bei den Männchen deutlich geschwollener und dunkler erscheint als bei den Weibchen.  

Teichmolchmännchen in „Landtracht“ (Foto: Stefanie Schatte)  

Im Wasser, wenn es dann langsam ernst wird mit der Partnersuche, lassen sich die Molchmännchen allerdings einem kleinen Kamm und einen breiteren leuchtend orangeblau gefärbten Schwanz stehen (Wassertracht). 

In diesem Stadium weisen sie tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit kleinen Drachen auf…  

Teichmolchmännchen in sogenannter „Wassertracht“ (Foto: Adobe Stock, kostenlos)  

Der Geschlechtsakt an sich hat bei diesen Molchen übrigens einen ganz eigenen Charme:    

Teichmolch – Fakten, Ernährung, Lebensraum & Bilder auf … 

Nachtrag zur Situation am Zaun wenige Tage später: Nur vier Tage nach der Mitmachaktion wurden übrigens (bei 9-10 Grad in der Nacht und durchgängig leichtem Nieselregen) von einer freiwilligen Helferin insgesamt 215 Tiere gefunden, darunter 2 Teichmolche, 2 kleine Grünfrösche und 211 (!) Erdkröten ! 

(Foto: Cordula Herwig) 

Warum gerade an einer befahrenen Straße Kröten und Molche „retten“?  

Eine Frage, die sich den Teilnehmer*innen der Mitmachaktion u.a. stellte war, warum die Erdkröten und Teichmolche ausgerechnet an dieser befahrenen Straße zur anderen Seite zum Teich drängeln müssen: Könnte man sie nicht stattdessen an einen geeigneteren Ort ohne befahrene Straße zwischen Lebensraum und Laichgewässer umsiedeln?  

(Schließlich werden auch Zauneidechsen, die man auf Baugrund in spe in Berlin häufiger findet, anscheinend erfolgreich umgesiedelt)  

Die Antwort auf diese Frage befindet sich in diesem Fall kurz vor der Havel in Form eines geschützten, abgeriegelten Teiches, der sich hervorragend als Kinderstube für diverse Lurche eignet, denn:  

Tatsächlich ist genau dieser Teich auch gleichzeitig das „Geburtsgewässer“ der sehr standorttreuen Erdkrötenweibchen aus der Gegend. Diese wiederum steuern mithilfe eines inneren Organs Jahr für Jahr aufs Neue zielgerichtet genau dieses Gewässer an, um hier wiederum selbst ihre zahlreichen Laichschnüre um Wasserpflanzen u.ä. zu wickeln. (Krötenweibchen legen in einer Saison zwischen ca. 2000 – 6000 Eier !)  

Für Teichmolche gilt übrigens Ähnliches, was die Treue zum Herkunftsgewässer angeht:  

Artenporträt Teichmolch 

Ein Umsetzen an einen anderen Ort würde in der Praxis also vermutlich gar nicht funktionieren, da diese Tiere offensichtlich ihren eigenen „Kopf“ haben in Sachen Eiablage: Schließlich eignet sich dafür nicht jedes x- beliebige Gewässer.  

Und hier „weiß“ man als Erdkröte oder Teichmolch doch immerhin – sozusagen „aus eigener Erfahrung“ – dass es klappt…  

Warum trifft man am Amphibienzaun bei den Erdkröten oft auf sogenannte „Doppeldecker“?  

(Foto: Stefanie Schatte) 

Eine Aufgabe der paarungsbereiten Erdkrötenmännchen besteht darin, mit Beginn der Dämmerung (wenn die Luftfeuchtigkeit also i.d.R. höher ist als am Tag) im Wald gemeinsam mit ihren Kollegen auf die etwas später eintreffenden Weibchen zu warten und sich dann mit Hilfe ihrer dunklen „Brunstschwielen“ an den Vorderzehen auf einen – noch freien – Damenrücken zu klammern, bzw. zu heften.  

Nun geht es für das junge Paar weiter Richtung Laichgewässer hinter der Havelchaussee – oder in diesem Fall erstmal Richtung Amphibieneimer oder-kasten.  

Glücklicherweise wird das junge Glück – dank des festen Griffs der Männchen – auch durch das Purzeln auf den Eimergrund meist nicht wesentlich gestört und die Helfer können die Beiden so auch als Zweiergespann am nächsten Morgen zum eigentlichen Bestimmungsort in Teichnähe tragen.  

Übrigens: Nicht wenige der – insgesamt zahlreicher auftretenden -Erdkrötenmännchen bleiben solo auf ihrer Wanderung (Das Zahlenverhältnis zwischen weiblichen und männlichen Kröten liegt in der Regel bei ca.1:3, manchmal sogar auch bei 1:8).  

Mit etwas Glück erwischen sie unten beim Gewässer auf der anderen Seite des Zauns doch noch eines der wenigen unbestückten Weibchen oder sie versuchen alternativ, einen bereits angeklammerte Konkurrenten vom bereits besetzten Rücken wegzudrängen und sich selbst an dessen Stelle zu setzen.  

Manchmal heften sie sich versehentlich auch an etwas, das eher entfernt an einen weiblichen Krötenrücken erinnert, wie z.B. ein Stück Holz. Oder sie erwischen einen weiteren Junggesellen, der diesen Versuch allerdings mit einem quietschenden Befreiungsruf quittiert, um den ungeplanten Eroberer möglichst schnell wieder loszuwerden.  

Es kommt auch vor, dass mehrere Männchen versuchen, ein Weibchen zu umklammern, was im Wasser für das begehrte Tier leider tödlich enden kann: werden sie doch von dem zu großen Gewicht unter die Oberfläche gedrückt und können dabei sogar ertrinken. (Ein untrügliches Zeichen dafür, dass adulte Kröten beim Landgang bereits komplett auf Lungenatmung umgestellt haben – und somit im Gegensatz zu ihren sogenannten Metamorphlingen (Kaulquappen) keine Kiemen mehr besitzen) 

Wer mehr über Kaulquappen unterschiedlicher Amphibien erfahren möchte, findet unter diesem anschaulichen link mehr dazu:  

http://www.kaulquappe.de/titel.htm 

Übrigens: für jene Krötenmännchen, die in einem Jahr kein Glück hatten, sich mit ihrem Erbgut im Teich zu verewigen – heißt es nun: Warten bis zum nächsten Frühjahr ! Denn Erdkröten erreichen in der freien Natur immerhin mit etwas Glück ein Alter von durchschnittlich 10 (in seltenen Fällen sogar bis zu ca.15) Jahren. 

Hierzu siehe auch:  

Das Leben der Erdkröte im Jahresverlauf 

Was kann man für die stark gefährdeten Berliner Amphibien tun ?  

Wer sich als freiwillige/r Helfer*in entweder an der Havelchaussee (zuständig www.oekowerk.de) oder in einem der anderen Berliner Bezirke (bitte wenden an Amphibienschutzzaun – Freiwillick Grün ) engagieren möchte, ist herzlich willkommen !  

Die beste Zeit für einen freiwilligen Einsatz ist der Beginn der „Wandersaison“ Anfang Februar. Dann wird der Einsatz der Helfer*innen für die Zeit der Hinwanderung zum Gewässer geplant.  

Das Naturschutzzentrum Ökowerk bietet außerdem jedes Jahr im Februar eine Informations- und Einführungsveranstaltung zum Thema an.  

Darüber hinaus wird von den zuständigen Mitarbeiter*innen der verschiedenen Schutzzäune eine praktische Einweisung vor Ort geplant und organisiert und es findet häufig ein anregender Informations- und Erfahrungaustausch in der Helfer*innengruppe statt.  

Auch für interessierte Gruppen Erwachsener, aber auch Schulklassen werden auf Anfrage Termine vor Ort angeboten, die regelmäßig mit einem praktischen Hilfeeinsatz am Zaun verbunden sind.  

Terminanfragen koordiniert v.a. das Naturschutzzentrum Ökowerk www.oekowerk.de  

Schulklassen aus dem Bezirk Spandau können sich gerne an die Naturschutzstation Hahneberg wenden: 

(Foto: Cordula Herwig) 



Verfasse ein Kommentar

Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*